Montag, 20. Juli 2015

Tage 12 & 13: Grand Canyon

Tag 12 (Samstag) - und wir sind in der absoluten Wildnis gelandet. In der Kommunikations-Wildnis: kein Telefonempfang, kein W-Lan, kein mobiles Internet und noch nicht mal GPS für's Navi. Nichts. Es gießt seit Stunden in Strömen, die Regentropfen prasseln auf's Holzdach unserer Hütte, hier gibt's keinen Fernseher und kein Radio - und es ist trotzdem einfach großartig. Wir sind am Grand Canyon, diesmal auf der Nordseite ("North Rim"), unsere Holzhütte ist eine sehr komfortable, supergemütliche Lodge mit Kühlschrank, Kaffeemaschine und Kamin, auf unserer Veranda stehen zwei Schaukelstühle, und wenn es nicht so schütten würde, wären wir in kaum 20 Schritten direkt am Rim, am Hang des Grand Canyon, an dem es mehrere Hundert Meter in die Tiefe geht. 



Wenn das Wetter besser wäre, dann könnten wir auch sehen, wie unfassbar schön es hier ist. Zum Glück gab es bei unserer Ankunft heute Nachmittag ein paar einigermaßen lichte und trockene Momente, so dass wir wenigstens einen ersten Mini-Eindruck gewinnen konnten. 


Vor zwei Jahren waren wir schon einmal am Grand Canyon, damals an der Südseite ("South Rim"), die von Las Vegas aus besser erreichbar ist. Damals schon war das Wetter bedeckt, zeitweise regnerisch und kühl. Zwischendurch brachen die Wolken aber immer wieder auf, so dass wir doch tolle Erinnerungen an die grandiose, einzigartige Landschaft mitnehmen konnten. Diesmal wollten wir den Grand Canyon nochmal besuchen und uns mehr Zeit nehmen - dass das Wetter noch schlechter sein würde, das hatten wir natürlich nicht auf dem Plan. Aber zum Glück sind wir zwei Nächte hier, und bis übermorgen früh wird es ja wohl nicht ununterbrochen durchregnen. Wir würden das Wetter gerne online checken, aber so ganz ohne Internet... Unser Lodge ist jedenfalls super, der Kühlschrank voll, Kaffee ist auch da, auf dem iPad gibt's außer der 3. Staffel von "House of Cards" auch genügend Bücher - auch ohne Internet werden die nächsten anderthalb Tage auf jeden Fall entspannt. Aber ich gebe gerne zu, dass so ein Dasein schon gewöhnungsbedürftig ist. Internet gibt es etwa eine Meile von hier nur im Store am Campingplatz, und zwar gaaanz laaaangsam und sehr instabil. Ansonsten nirgends. Natürlich sind wir schon wie die Süchtigen hingefahren, haben uns noch im Auto sitzend eingeloggt, alles gecheckt, festgestellt "nix verpasst" und sind wieder abgerauscht. Mal sehen, ob wir es bis morgen früh nach dem Frühstück ohne Netz aushalten... :-)
Es ist übrigens saukalt hier, in knapp 2500 Metern Höhe gerade mal 52 Grad Fahrenheit, das sind geschätzt 11 oder 12Grad Celsius (Online-Faktencheck für dieses Blog ist ja leider gerade nicht möglich...). Man kann draußen seinen Atem sehen, aber immerhin können wir mal eine Nacht ohne das stete Surren einer Klimaanlage verbringen. 
Heute Vormittag waren es auf dem Weg hierher noch sonnige 92 Grad Fahrenheit (ca. 33 Grad Celsius), als wir etwa 80 Meilen von hier an der berühmten Navajo-Bridge gehalten haben. Eigentlich sind es zwei fast baugleiche Brücken, die am Marble Canyon, nordöstlich des Grand Canyon, über den Colorado River führen. Direkt neben der alten Navajo-Bridge, die seit 1929 die damalige Fähre über den Fluss ersetzte, wurde erst vor 20 Jahren eine zweite Brücke gebaut, um die schwerer und breiter gewordenen Autos, Wohnmobile und Lkw sicher über den Colorado zu bringen. Die alte Brücke ist seitdem Fußgängern vorbehalten. Die beiden Brücken sehen aus, als würden sie direkt aus den schroff abfallenden Hängen des Canyons herauswachsen. Von der Fußgängerbrücke aus hat man einen unbeschreiblichen Blick tief hinunter auf den Colorado. Während unseres Brückenspaziergangs trafen wir sogar einen Kalifornischen Condor. Die Spannbreite der Flügel des Condors kann bis zur drei Metern betragen! 





Der Tag begann heute früh gegen halb sechs mit einem grandiosen Sonnenaufgang im Monument Valley. Bis unmittelbar vor unserer Abfahrt standen wir auf unserem Balkon und inhalierten den fantastischen Ausblick und das wechselnde Farbenspiel der Monolithe in der Wüste. Ob der Grand Canyon diese Eindrücke noch toppen kann, falls das Wetter jemals besser wird? 


Inzwischen sind wir also ohne Internet und bei Regen Holzhüttenbewohner am Grand Canyon. Einen Riesen-Aufreger gab es in unserer gemütlichen Lodge schon mal: eine Riesenspinne hatte es sich beim Schreiben dieser Zeilen, während ich auf dem Bett hockte, auf meiner Hüfte bequem gemacht. Unter dem brüllenden Gelächter der Familie sprang ich rumpelstilzchen-like kreischend durch die Hütte und schüttelte panisch Arme und Beine aus, um sie loszuwerden. Die Gäste in der Nachbar-Lodge, die mit uns Tür an Tür wohnen, haben bei dem Lärm vermutlich an ein Familiendrama gedacht. Bei meinem Ausbruch habe ich so hysterisch rumgefuchtelt, dass ich meinen Lieblingsring verloren habe, den wir zum Glück nach einer längeren Suchaktion in einer Ecke des Zimmers hinter einem Rucksack wiedergefunden haben. Dirk und Charlotte haben sich dann dankenswerterweise als Kammerjäger auf die Suche nach weiteren tödlichen Gefahren durch Krabbeltiere gemacht, aber zum Glück nichts weiter entdeckt. Wie gerne würde ich jetzt das Internet befragen, ob sich nachts aus hölzernen Decken Sippschaften von Spinnen auf schlafende Touristen abseilen!
Der nächste Morgen (Sonntag) - und es geht noch schlimmer: Zwar hat der Regen aufgehört, aber dafür herrscht dichter Nebel. So dicht, dass wir vom Canyon gar nichts sehen können. Null. Nur weiße wabernde undurchdringliche Nebelschwaden. 


Wir machen uns trotzdem auf zu einem kleinen Spaziergang zum nächstgelegenen Aussichtspunkt und sehen - nichts. Gemeinerweise stehen überall Hinweisschilder mit großformatigen Farbfotos rum, auf denen wir sehen können, was wir sehen könnten, wenn wir denn was sehen würden. Es ist zum Heulen! 


Wir fahren zu einem Aussichtspunkt in der Hoffnung auf bessere Sicht, aber auch am höchsten Punkt des gesamten Grand Canyon National Park, dem Point Imperial auf fast 2.700 Metern Höhe, nur Waschküche. Erst auf dem Rückweg lichtet sich der Nebel etwas, und als wir wieder zurück an unserer Lodge sind, reißt der Himmel auf und uns bieten sich die unglaublichsten Ausblicke dar, die wir je gesehen haben. Noch viel viel schöner, als vor zwei Jahren am South Rim, und so grandios, dass es einem die Sprache verschlägt. Und wieder geben die Bilder das Erlebnis nicht annähernd wieder. Meilenweit können wir plötzlich in die zerklüftete Landschaft sehen. Die Felsen und Klippen schillern in Rot-, Beige-, Braun-, Grau- und Grüntönen, und die Canyons zwischen den Felsen, die sich in Jahrmillionen dort hineingegraben haben, erscheinen unendlich weit und tief. 
Der View Room hat Panoramafenster, und wo heute Morgen noch einfach nur Weiß zu sehen war, sieht man heute Abend den schönsten Sonnenuntergang. 





Zum Abendessen bekommen wir einen Tisch am Fenster mit Wow-Aussicht und sitzen später noch lange auf der Terrasse, um das Farbenspiel der Schluchten im Licht der untergehenden Sonne zu genießen. Der Grand Canyon ist insgesamt fast 450 km breit. Selbst bei der fabelhaften Fernsicht heute Abend sieht man also nur einen kleinen Ausschnitt dieses Naturwunders, obwohl wir meilenweit sehen können. Für Panorama-Aufnahmen ist die völlige Gerade des Hochplateaus in der Ferne bestens als Bezugslinie geeignet. Hinterm Horizont geht es hier tatsächlich noch weiter. 



   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen