Mittwoch, 8. Juli 2015

Tag 2: 9/11

Unser zweiter Tag steht ganz im Zeichen von 9/11. Er beginnt um halb acht mit einem kleinen Frühstück bei Starbucks neben dem Hotel, inklusive Ausblick auf das One World Trade Center. Mit dem Path Train, der New Jersey jenseits des Hudson Rivers mit Manhattan verbindet, fahren wir zur Haltestelle "World Trade Center". Die U-Bahn fährt praktisch minütlich, und die Züge sind alle brechend voll - halb Jersey City scheint in Manhattan zu arbeiten. 
Wir werden mit dem Menschenstrom aus dem U-Bahnhof herausgeschwemmt und stehen draußen praktisch direkt vor dem One World Trade Center, 541 Meter hoch und wunderschön. Die Höhe ist bekanntlich symbolisch: 541 Meter entsprechen 1776 Fuß, und das wiederum ist das Jahr der Unabhängigkeitserklärung. Das riesige Bürogebäude ist das höchste Gebäude der USA und das vierthöchste der Welt. Es ist 120 Meter höher, als die beiden Twin Towers. 


Der offizielle Name ist "One World Trade Center", kurz "WTC 1" - so hieß auch der frühere Nordturm. Unser Taxifahrer hat uns gestern erzählt, dass die New Yorker meist "Freedom Tower" sagen. Seit Ende Mai ist die Ausichtsplattform, das "One World Observatory", geöffnet. Es ist kurz vor neun und noch total leer im Wartebereich. Eine digitale Anzeige erzählt, dass innerhalb der sechs Wochen seit der Eröffnung bereits 380.000 Besucher aus mehr als 100 Nationen hier waren. Die rasante Aufzugfahrt in die 100. Etage zeigt uns an den Wänden im Zeitraffer die Entstehung Manhattans. Oben erwartet uns nach 47 Sekunden eine spektakuläre 360-Grad-Rundum-Ausssicht aus 380 Metern Höhe von der 100. bis zu 102. Etage. 






Das Blaue unten halb rechts ist ein Basketballfeld auf dem Dach!


"Sky Portal": Man tritt auf eine gläserne Fäche, unter der in Echtzeit Ansichten der darunterliegenden Straßen in HD gezeigt werden.


Blick über den Hudson auf Jersey City. Die zweite Anlegestelle von rechts, das ist unser Hotel.

Bei gutem Wetter kann man bis zu 80 Meilen weit sehen; heute sind es nur 5-10 Meilen - es ist leider sehr diesig, so dass wir Lady Liberty im Morgendunst nur erahnen können. Trotzdem ist es ein echtes Erlebnis. 14 Jahre lang hat es diesen Ausblick nicht mehr gegeben. Von oben sehen wir die Pools des 9/11-Memorials an der Stelle der Twin Towers direkt neben dem Freedom Tower, die wir als nächstes ansteuern. 

Als wir vor drei Jahren hier waren, brauchten wir noch Eintrittskarten und es gab noch intensive Sicherheitskontrollen, ehe Besucher die Gedenkstätte betreten durften. Inzwischen ist der Platz fast fertig - und komplett öffentlich. Die riesigen Pools an der Stelle der Twin Towers mit den eingravierten Namen der Opfer des 11. Septembers sind aber trotz der deutlich quirligeren Atmosphäre genauso eindrucks- und würdevoll wie damals. 


Auf dem Gelände hat inzwischen auch das 9/11-Museum eröffnet. Da wir online Karten gekauft haben, kommen wir ohne Wartezeit rein. Eine Museums-App mit Audioguide, gesprochen vom New Yorker Robert de Niro, führt uns durch die weitläufigen Räume, die die Entstehung der Twin Towers zeigen, aber vor allem die Erinnerungen an die Anschläge vom 11. September auf beklemmende Weise wachhalten. Gewaltige verbogene Stahlträger, ein Feuerwehrwagen, der von den einstürzenden Gebäuden fast völlig zerstört wurde, und unzählige Gegenstände, die den Opfern gehört haben - Brillen, Uhren, Handys, Papiere, Geldbörsen, zerfetzte Kleidung voller Staub - sind stumme Zeugen des Grauens. Wir befinden uns unterhalb der Pools, praktisch im Fundament der Türme, das teilweise erhalten und freigelegt worden ist. 



In der Ausstellung hängen Fotos aller Opfer an riesigen Wänden. In einem abgedunkelten Raum sitzen die Besucher entlang der Wände auf Bänken und lernen die Opfer mit Bild und Lebenslauf näher kennen. Zu diesen Projektionen auf die Wände erzählen Angehörige aus der Dunkelheit von ihren Erinnerungen. Das Grauen bekommt ein Gesicht, 3000 Mal. Das ist, ehrlich gesagt, nur begrenzt zu ertragen, und wir verlassen das Museum nach zweieinhalb Stunden und wärmen uns erstmal in der Sonne vom Dauerfrösteln im Museum auf. 


Übrigens gibt es im Museum auch einen Giftshop, den ich hier angesichts des Themas eher nicht erwartet hätte. Der 11. September ist schließlich kein Feiertag wie der 4. Juli, und ich kann mir nicht vorstellen, wer seinen Kaffee aus einem Becher mit der riesigen Aufschrift "9/11" trinken möchte. Eindeutiger Höhepunkt des schlechten Geschmacks: ein Frühstücksbrettchen und Kühlschrank-Magnete zur Erinnerung an die Hunde des 11. Septembers. 


Aber die Ausstellung können wir in jedem Fall eindeutig empfehlen, weil sie die Hintergründe, die Ereignisse und die Nachwirkungen von 9/11 anschaulich erzählt und die Erinnerungen auf eindringliche und nachdrückliche Weise aufrecht erhält.

Nach kurzer Diskussion über das Anschlussprogramm und einem kleinen Regenschauer fahren wir mit der U-Bahn zum Times Square. Es ist unser 3. gemeinsamer Besuch in New York und fast schon eine kleine Tradition, das laute und geschäftige Treiben auf der roten Treppe aus dem Video "Empire State of Mind" von Alicia Keys (unserem Familien-New-York-Song) zu verfolgen. Lebende Freiheitsstatuen, der nackte Cowboy mit der Gitarre und Figuren aus der Sesamstraße buhlen um die Aufmerksamkeit der Touristen, und Darsteller aus den Musicals rund um den Times Square locken in ihre Shows. Zwei Turner aus Asien zeigen ihr Können - der eine balanciert den anderen auf seinem Kopf die roten Stufen hinauf.


Nach kurzem Abstecher in den riesigen M&Ms-Store und in den Shop von American Eagle geht's zurück ins Hotel. Inzwischen ist es halb sechs, und wir haben den Eindruck, dass halb Manhattan nach der Arbeit wieder mit uns zurück nach New Jersey fährt. 
Gute Nacht aus dem wolkigen Jersey City. Morgen besuchen wir wieder einmal Lady Liberty und erklimmen noch mal ihre Krone!



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